BBAW

1. Ziel

Sammlung und Edition der antiken lateinischen Inschriften, die als unmittelbare Zeugnisse für die Erforschung römischer Lebenswelt und Geschichte unentbehrlich sind.

2. Darstellung

a. Die epigraphische Forschung

Inschriften gehören als unmittelbare Zeugnisse zu den wichtigsten Quellen für die allseitige Erforschung römischer Lebenswelt und Geschichte. Dies wurde gerade in Zeiten bewußter Rezeption der Antike zum Anlaß genommen, die epigraphischen Zeugnisse zu sammeln und zu edieren: Aus karolingischer Zeit ist uns etwa eine Kompilation lateinischer Inschriften im Codex Einsidlensis erhalten; und vor allem in der Renaissance bemühte sich die gelehrte Welt um die Bewahrung der inschriftlichen Tradition in umfassenden Corpora. Die damals entstandenen Sammlungen – mit ihnen verbinden sich so klangvolle Namen wie die eines Cola di Rienzo oder eines Scaliger – genügten mit der Zeit freilich nicht mehr den veränderten wissenschaftlichen Kriterien einer modernen textkritischen Edition. Zudem waren sie angesichts der stetig wachsenden Fülle des epigraphischen Materials bald schon überholt. Aber auch verdiente Einzelpersönlichkeiten der nachfolgenden Generationen – wie etwa Gaetano Marini – konnten das umfangreiche Material nicht mehr bewältigen, so daß die ›Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften‹ schon 1815 den Plan faßte, zunächst die griechischen, dann auch die lateinischen antiken Inschriften in umfassenden Sammlungen neu zu veröffentlichen:

Unter der Leitung von Theodor Mommsen wurde im Jahre 1853 das ›Corpus Inscriptionum Latinarum‹ ins Leben gerufen; ein erster Band erschien zehn Jahre später. Bis zum Ersten Weltkrieg war bereits der größte Teil der damals bekannten lateinischen Inschriften antiker Provenienz publiziert – eine von Mommsen, späterhin vor allem von seinen Schülern in Verbindung mit Wissenschaftlern aus den Fundländern erbrachte Leistung, die internationale Anerkennung fand.

Finanzielle Schwierigkeiten, die Isolierung Deutschlands nach dem Ersten Weltkrieg und die politische Situation in der DDR nach dem Zweiten Weltkrieg beeinträchtigten die CIL-Arbeit in der Folgezeit erheblich. Dank des hohen Ansehens, dessen sich das CIL in der internationalen Fachwelt erfreuen durfte, übernahmen nach 1945 zahlreiche Forscher und Institutionen in der Bundesrepublik Deutschland und im Ausland Finanzierung und Ausführung der epigraphischen Forschung.

Ursprünglich als selbständige Einrichtung unter dem Dach der Berliner Akademie arbeitend, war das CIL von 1955 bis 1991 in verschiedene Akademie-Institute eingebunden. Nach einer wechselvollen Übergangsphase arbeitet das Vorhaben nun seit Anfang 1994 unter der Obhut der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Mit der Wiedervereinigung wurde auch die früher ganz selbstverständliche internationale Zusammenarbeit mit den Fachkollegen intensiviert: So kooperiert das CIL zur Zeit außer mit deutschen Epigraphikern vor allem mit Forschern aus Finnland, Italien, Österreich, Schweden, der Schweiz, Spanien und Portugal sowie Tschechien.

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b. Aufgabenstellung

Das ›Corpus Inscriptionum Latinarum‹ erfaßt die lateinischen Inschriften aus dem gesamten Raum des ehemaligen Imperium Romanum in geographischer und systematischer Ordnung; es ist seit seiner Begründung durch Theodor Mommsen die maßgebliche Dokumentation des epigraphischen Erbes der römischen Antike.

Das Berliner Team, das die Fortsetzung dieses Werkes betreut, koordiniert die notwendige internationale Zusammenarbeit mit den Fachgelehrten und bereitet fremde und eigene Manuskripte zur Publikation vor: Neufunde und Korrekturen bereits veröffentlichter Inschriften werden in Zweitauflagen und Supplementen ediert und so das Corpus aktualisiert und kontinuierlich erweitert.

Um ihre eingangs beschriebene Aufgabe zu erfüllen, kann sich die Berliner Zentrale freilich nicht auf die wissenschaftliche Redaktion beschränken, wiewohl hierin der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt. Sie muß sich auch um die laufende Auswertung der Literatur zur lateinischen Epigraphik und um die Herstellung von bibliographischen Nachträgen zum Corpus bemühen. Die Bibliographie zur lateinischen Epigraphik, die seit 1950, neuerdings als Filemaker-Datenbank, geführt wird und mehr als 30.000 Titel umfaßt, eine spezielle Kartei mit Nachweisen neuerer Literatur zu den einzelnen im CIL selbst und in anderen Sammlungen veröffentlichten Inschriften sowie Manuskripte und Exzerpte früher edierter Inschriften bilden zusammen mit einer stattlichen Sammlung von Abklatschen oft benutzte Auskunftsmittel. Sie stellen zugleich einen unschätzbaren Fundus dar, vom welchem ausgehend die Vorbereitung von Corpora in eigener Verantwortung in Angriff genommen werden kann.

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c. Bestandsaufnahme und Perspektiven

Heute liegen vom Corpus Inscriptionum Latinarum 17 Bände in rund 70 Teilen in Folioformat mit ca. 180.000 Inschriften sowie 13 Ergänzungsbände mit Tafeln und speziellen Registern vor. Die Edition beruht auf der Kontrolle der Originale unter Berücksichtigung der handschriftlichen und der gedruckten Überlieferung. Die Bände enthalten außer den Inschriften und der zugehörigen Dokumentation des epigraphischen und archäologischen Befundes zusammenfassende Bibliographien, Informationen über die antiken Gemeinden, in denen die Inschriften gefunden wurden, reich gegliederte Namens- und Sachregister sowie Karten und Stadtpläne.

Die fotographische und zeichnerische Dokumentation wurde bislang in Auswahl auf gesonderten Tafeln oder auf Microfiches dargestellt, teils wurden auch Zeichnungen in die Textseiten integriert. Die neuen Bände bieten nun dem Benutzer die Umschrift der epigraphischen Texte in Konfrontation zu Fotos und Zeichnungen in einem Ensemble: So ist der Leser im Stande, Befund und Lesung gegeneinander abzuwägen. Die dokumentarische Präsentation gewährt damit einen kritischen Zugang zum Text, der zu Mommsens Zeiten noch nicht möglich war.

Auswärtige Mitarbeiter und die Berliner Arbeitsgruppe arbeiten zur Zeit an Supplementen, Neuauflagen und Erstveröffentlichungen von insgesamt 16 Bänden in zahlreichen Faszikeln. Dabei handelt es sich vor allem um die Publikation von Inschriften aus Italien, Rom, der Pyrenäenhalbinsel, des Noricum, Dalmatiens, Rätiens, der germanischen Provinzen des römischen Reiches und der Carmina Latina epigraphica. Ein aktueller Jahresbericht informiert über die laufenden Arbeiten.

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